"Eine beliebte Technik, die auch Herbert Grimm bei vielen seiner Drucke anwendet ist die Kollagraphie. Hier entsteht der Druckstock, indem mit Klebern aus der Industrie, wie etwa Fliesen- oder Teppichklebern, Silikon oder ähnlichem gearbeitet wird.
Bei all den Materialien, die als Druckstöcke verwendet werden, entstehen Druckplatten, die in ihren Höhen stark variieren und somit auch höchste Ansprüche sowohl an die Druckpressen und vor allem an die Künstler selbst stellen.
Zudem können nicht beliebig viele Probedrucke, wie bei der herkömmlichen Druckgrafik hergestellt werden, da, wie schon erwähnt, die Druckstöcke vergänglich sind. Es muss also mit höchster Konzentration an die Arbeit gegangen werden. Die Bilder sind immer Ergebnis einer langen gedanklichen Auseinandersetzung mit dem Motiv und einer bewussten Kombination der sich zufällig ergebenden Strukturen des einzelnen Druckes. Deshalb werden Sie auch ohne geübten Blick sofort sehen, dass man bei diesen Arbeiten mit Vorstellungen herkömmlicher Druckgrafik nicht weit kommt, denn Herbert Grimm treibt es, die Grenzen dieser zu eruieren, weit weg zu gehen von einer Druckgrafik, die oft als gefällig und sich der Wohnungseinrichtung anpassend anzusehen ist.
Er will mit seinen Ergebnissen das Spektrum der bisher bekannten Möglichkeiten der Druckgrafik erweitern. In allen Bildern zeigt sich somit die Liebe zum Material und das Material ist Mittel, um Gedanken zu entwickeln und mit der Umgebung zu kommunizieren.
Die Bilder sind eine Dokumentation der Bilderfahrungen erlebter Bildwelt der Kanaren, die verwoben mit mitteleuropäischem Bilderleben im Dialog steht. So haben sie auch wenn sie spanische Titel tragen, nur indirekt etwas mit den Inselerlebnissen gemein. Sondern ist es vielmehr so, dass Ereignisse der Zeit der Entstehung der Bilder in Spanien Korrespondenzen in früheren Entwicklungserfahrungen, in erlebtem Leben gefunden haben und sich zusammen damit ausdrücken.
Verinnerlichte Bild- und Farbwelten, Speicher eigener Erfahrungen, eine kritische Sicht der gegenwärtigen Welt und Ausblick auf Kommendes gehen zu einer Synthese zusammen und drücken sich mit Kraft in spannungsgeladenen Bildern aus.
Dabei wird stark abstrahiert, mit Schemen und Zeichen gearbeitet, die immer nur Spuren der Hinterlassenschaft in der eigenen Geschichte ans Tageslicht kommen lassen. Bruchstücke der Erinnerung kommen an die Oberfläche, werden immer wieder neu kombiniert und zu neuen Bildern zusammengefügt und auch wieder verschluckt von schrundigen Oberflächen, die an alte bröckelnde Wände erinnern. Es entsteht nach und nach ein Ausschnitt der Bildwelt, die der Künstler in sich trägt.
Das was wir sehen, ist die vorgefundene Formen- und Farbenwelt, die er durch seinen Willen auf seine innere Bildwelt transformiert.
Und obwohl er die lichten, warmen, erdigen Farben und das Licht der kanarischen Inseln verwendet, obwohl Titel auf Begebenheiten und die Sprache der Insel hinweisen, befreit sich Herbert Grimm doch in der Darstellung von den Vorschriften des Dagewesenen und gewinnt so eine neue, eigene Ausdrucksmöglichkeiten, sowohl in der Farbe als auch in der Form.
Die Serie 'La Bajada de Las Canadas' nimmt durch ihre erdigen Farben Bezug auf Wallfahrten, bei denen Heiligenfiguren von den Höhen gleichsam durch die verschiedenen vulkanischen Regionen herabgetragen werden. Er sieht es ironisch und der Bezug zu eigenem Erfahren drängt sich auf. Oder aber "TAGOROR", der Titel der Ausstellung. Es ist das alte Guanchenwort für Versammlungsplatz, an dem alle wichtigen Dinge des Lebens besprochen wurden. Auch dies ist als Hinweis für die Inhalte der Bilder zu verstehen, denn auch in ihnen werden wichtige Dinge des Lebens behandelt, wenn auch verschlüsselt in einer eigenen Bildsprache. So sehen wir in den Bildern sowohl stille als auch vitale, kraftvolle Symbole für Vergangenes, das, wie der Künstler sagt, 'in der Hirnrinde gespeichert ist und nach Entlastung drängt.' Denn immer, wenn eine Hinterlassenschaft der Geschichte bearbeitet ist, schöpft er die Kraft, Neues zu bearbeiten."
Annelie Grimm-Beickert am 14. Mai 1999 anlässlich der Eröffnung der Ausstellung "TAGOROR" im Neuen Palais, Bamberg.